Samstag, 24. Januar 2009
 
Routinemäßige Festnahme PDF Drucken E-Mail
Geschrieben von Michael Genner   
Donnerstag, 13. Dezember 2007

Immer wieder ist Asyl in Not in seiner Arbeit mit gesetzeswidrigen Vorgangsweisen der Bezirkshauptmannschaft Neusiedl am See konfrontiert.

Diese Behörde ist ein besonderes Nest. Unsere Leserinnen und Leser erinnern sich vielleicht an die russische Familie D. aus Kaliningrad, die im Sommer 2007 trotz legaler Einreise einen Monat lang in Schubhaft gesessen ist. Unserer Haftbeschwerde gab der Unabhängige Verwaltungssenat (UVS) Burgenland statt.


Herr T. aus Tschetschenien ist auch ein Opfer dieser Bezirkshauptmannschaft. Seine Frau und seine Kinder leben seit 2006 als anerkannte Flüchtlinge in der Steiermark. Herr T., durch die Flucht von ihnen getrennt, kam erst 2007 nach.


Unterwegs wurde er in der Slowakei aufgegriffen, stellte dort einen Asylantrag, um nicht nach Russland abgeschoben zu werden, und gab an, zu seiner Familie nach Österreich zu wollen. Die Slowaken nahmen mit Österreich Kontakt auf, das Bundesasylamt erklärte sich für zuständig im Sinne der Dublin-Verordnung, Herr T. wurde nach Österreich überstellt. Das wäre beinahe schlecht ausgegangen für ihn:


Die Bezirkshauptmannschaft Neusiedl (in deren Bereich die Übernahme erfolgte) verhängte die Schubhaft! Begründung: Herr T. habe nichts davon gesagt, dass er einen Asylantrag stellen wolle. Er habe immer nur von "Familienzusammenführung" gesprochen. Ohne Asylantrag sei er ein gewöhnlicher "Illegaler", wie andere auch, und müsse abgeschoben werden.


Herr T. kannte sich mit den hiesigen Rechtsvorschriften nicht aus. Er wusste nicht, dass er das Wort "Asyl" verwenden musste; das hatte er doch schon in der Slowakei getan! Er versuchte verzweifelt zu erklären, dass er zu seiner Frau und seinen Kindern wolle und dass er doch eben deshalb von den Slowaken nach Österreich geschickt worden sei.


Nach einer Woche Gefängnis besuchte ihn eine Betreürin der Caritas, der er sein Leid klagte. Sie half ihm einen Asylantrag zu stellen, sodass er freigelassen wurde und endlich zu seiner Familie kam.


Auf Ersuchen der Caritas brachte ich eine Schubhaftbeschwerde ein und machte geltend, dass Herr T. ja schon in der Slowakei das Zauberwort "Asyl" ausgesprochen hatte und dass man nach dem Wortlaut der Dublin-Verordnung nur einen einzigen Asylantrag in der Europäischen Union stellen kann, für den sich dann ein bestimmter Staat (in diesem Fall Österreich) zuständig erklärt.


Daher musste Herr T. nicht noch einmal "Asyl" sagen, als er der BH Neusiedl in die Hände fiel. Überdies sei die Schubhaft unverhältnismäßig, da er ganz offensichtlich nicht untertauchen, sondern zu seiner Familie, an einen den Behörden bekannten Ort, wollte. Der Unabhängige Verwaltungssenat Burgenland (Mag. Eder) schloss sich beiden Argumenten an.


In der Verhandlung wurden auch die beiden Polizisten befragt, die Herrn T. festgenommen hatten. Sie gaben an, die Festnahme sei "rein aus Routine" erfolgt... Einen Auftrag, Herrn T. zu belehren, wie man einen Asylantrag stellt, habe ihnen niemand erteilt. Von selber hätten sie T. auch nicht gefragt, ob er einen Antrag stellen wolle; sonst hätten sie ihm ja etwas in den Mund gelegt...


"So leicht wird man in Österreich also ‚rein routinemäßig’ festgenommen", erkannte Mag. Eder und gab meiner Beschwerde statt. Für Herrn T. werden wir, Haftentschädigung verlangen. Aber was sollen wir mit der Bezirkshauptmannschaft Neusiedl anstellen? Für zweckdienliche Hinweise aus dem Publikum danken wir sehr.


Michael Genner, Asyl in Not

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